Warum wird der „neugestaltete“ Friedrich-Ebert-Platz eine Betonwüste?

Friedrich Ebert Platz OpenStreetMap

Am 20. September 2024 fand eine durch die Stadt Remscheid initiierte Stadtführung mit „Bergisch Erlebnis“ statt, die sich unter anderem um „Verkehrskonzepte Innenstadt“ drehen sollte. Angekündigt war die Veranstaltung wie folgt:

Die Stadtführung bietet einen umfassenden Überblick über verschiedene Aspekte der Mobilität in Remscheid. Sie erhalten Einblicke in die historische Entwicklung der Verkehrsinfrastruktur und erfahren mehr über innovative Mobilitätskonzepte und -projekte, die in der Stadtplanung umgesetzt werden. Die Führung wird in Zusammenarbeit mit der IG Bergisch-Erlebnis (Daniel Sieper) organisiert und bietet Ihnen die Möglichkeit, die Fortschritte und Herausforderungen der nachhaltigen Mobilität sowie einen Rückblick in die Stadtgeschichte hautnah zu erleben. Die Route führt Sie an Stationen wie dem Friedrich-Ebert-Platz, der Villa Böker und der Alleestraße vorbei, an denen historische und aktuelle sowie zukünftige Projekte der Stadtverwaltung vorgestellt werden.

Quelle

Herr Sieper von Bergisch Erlebnis hat seinen Job wie immer super gemacht und konnte eine Menge über die Stadthistorie erzählen.

Hinsichtlich der angekündigten Erklärungen über „innovative Verkehrskonzepte“ und „zukünftige Projekte der Stadtverwaltung“ war die Veranstaltung allerdings leider nahezu ein Komplettausfall, da die anwesenden Vertreter°Innen der Stadt dazu nicht nur nicht proaktiv von sich aus berichteten, sondern auch auf Nachfrage fast immer passen mussten. So hatte ich mir eine Informationsveranstaltung der Stadt nach dieser Ankündigung nicht vorgestellt. Die beiden taten mir allerdings fast ein wenig leid, denn es machte den Eindruck, als seien sie vorgeschickt worden, damit sich kein tatsächlich Verantwortlicher der Stadt Remscheid hätte rechtfertigen müssen.

Seitens der anwesenden Teilnehmer°Innen an der Führung wurde am Friedrich-Ebert-Platz deutliche Kritik hinsichtlich der Umsetzung laut; es wird eine neue Betonwüste installiert, es gibt nur Alibi-Bäume, als gäbe es keine Hitzesommer und keinen Klimawandel. Darauf angesprochen mussten die Anwesenden Vertreter°Innen der Stadt passen, „man sei da nicht im Thema“ oder „an der Planung nicht beteiligt gewesen“. Es wurde die Vermutung geäußert, dass an den Planungen nichts mehr habe geändert werden können, da das Projekt gefördert sei und man sich an die Förderungskonzeption habe halten müssen.
Als auf die Bahnsteigüberdachung hingewiesen wurde, fragte ich, ob die denn tatsächlich, wie auf den Planungsillustrationen zu sehen sei, so hoch ist, dass sie keinerlei Schutz gegen Wetter biete? Und das ausgerechnet im bekannt verregneten Remscheid? Auch das wurde eingeräumt und angedeutet, dass hier den Visionen des Architekten vermutlich höherer Stellenwert beigemessen wurde, als tatsächlicher sinnvoller Nutzbarkeit für die Bürgerinnen und Bürger (eine Konzeptgrafik, wie das abgeschlossen aussehen soll, stellt die Stadt zur Verfügung [erster Eintrag unter „Preisgericht“], ich kann das hier aus Urheberrechtsgründen leider nur verlinken, statt es einzubinden. Man sieht aber sofort, dass die Dächer beim Remscheid-typischen Diagonalregen eher keinen Schutz bieten werden). Unter dem Link liest man auch:

Das Preisgericht, bestehend aus Vertretern der Verwaltung, Politik und der Stadtwerke (Sachpreisrichter), aus erfahrenen Architekten, Verkehrs- und Städteplanern (Fachpreisrichter) sowie zwei sachverständigen Beratern aus Verwaltung und Stadtwerken

Vollmundig. Und diese „erfahrenen Architekten, Verkehrs- und Städteplaner sowie zwei sachverständigen Berater aus Verwaltung und Stadtwerken“ haben tatsächlich noch nie etwas über Klimawandel, Flächenentsiegelung und problematische innerstädtische Hitzeinseln gehört? Haben noch nie im Regen an einer Bushaltestelle gestanden?

Ein Prestige-Architekturprojekt war den Verantwortlichen also wichtiger als sinnvolle Nutzbarkeit und klimawandelnotwendige Begrünung? Und auch das Argument, dass die Planungen aufgrund der Förderung nicht geändert werden konnten, kann ich nicht nachvollziehen. In anderen umliegenden Städten ist es durchaus möglich, selbst in laufenden geförderten Baumaßnahmen noch klimawandelrelevante Änderungen durchzuführen. In Remscheid ist das nicht machbar? (gut, angesichts der vergurkten, gerichtlich kassierten Baumaßnahme „erstes Outlet-Center“ ist man geneigt daran zu glauben, dass solcherlei Änderungen in Remscheid tatsächlich nicht rechtssicher durchgeführt werden können, das läge dann aber nicht an der Fördermaßnahme.) Hier würde mich allerdings eine konkrete inhaltliche Begründung interessieren. Zumal die Planungsphase nun wirklich noch nicht so lange her ist – wenn es tatsächlich keinerlei Klimawandelüberlegungen bei dieser Planung gab, dann halte ich das für überaus bedenklich. Und wer einen Entwurf mit derart grotesk hohen Überdachungen favorisiert, der hat vermutlich einen dicken Dienstwagen und selbst noch nie bei Regen an einem Busbahnhof gestanden.

Fakt ist nun also, dass der Friedrich Ebert-Platz millionenschwer umgebaut wird – das Ergebnis wird eine Betonwüste sein, die im Sommer zu einer weiteren Hitzeinsel werden wird und die allen städtebaulichen Erkenntnissen der letzten Jahrzehnte in Sachen Hitzeschutz und Klimawandel widerspricht. Und selbst wenn gerade keine Hitze herrscht, dann wird man bei den in Zukunft absehbar ebenfalls weiter zunehmenden Starkregenereignissen ebenfalls keinen Schutz finden, weil prestigeträchtige Architekturentwürfe wichtiger waren, als Nutzbarkeit.

Wie man solch ein Projekt derart realitätsfern planen und durchführen kann, ist für mich nicht nachvollziehbar; auch andere Teilnehmer°Innen des Führung äußerten sich dazu identisch, darunter auch Personen „vom Fach“.

Jetzt steht also die Sanierung der Rathausplatzgarage samt Umgestaltung des darüber liegenden Rathausplatzes an. Man darf gespannt sein, ob die genauso realitätsfern durchgeführt werden wird. Ich hätte einen Vorschlag:

rathausplatz green 1200

 

Karte von OpenStreetMap, Foto mit Render Rathausplatz von mir

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