Vieringhausen: „Ein Zebrastreifen ist auf der viel befahrenen Bundesstraße nicht zulässig“

beleuchtetes Schild Fußgängerüberweg

Am 21. März 2024 kam es in Vieringhausen erneut zu einer Tragödie: Ein 86-Jähriger Fußgänger wurde durch eine LKW-Zugmaschine getötet. Das ist nicht der erste solche Fall an dem Überweg, an dem durch eine „Insel“ in der Straßenmitte Sicherheit suggeriert werden soll, bereits 2019 kam es dort zu einem Unfall mit Todesfolge durch KFZ.

Seit Jahren wird darüber diskutiert, die etwas weiter oben befindliche Fußgängerampel zu versetzen, denn die tatsächlichen Querungen finden eben weiter unten statt – und es ist den Seniorinnen und Senioren – oder den Nutzer°Innen des ÖPNV – selbstverständlich auch nicht zuzumuten, erst den Umweg bis zur Ampel zu gehen. Die technischen Betriebe wollen eine Verlegung nicht, denn nach deren Aussage liegen am angedachten neuen Ort für die Ampel „zu viele Leitungen“ – und dort eine Lichtzeichenanlage einzurichten sei deswegen erheblich zu teuer.

In einem Stück wie aus Schilda schlagen die TBR der Politik stattdessen tatsächlich vor, die Fußgängerinsel zu entfernen, um die Fußgehenden damit zu nötigen, bis zur Ampel zu laufen. Dass das vermutlich niemand tun wird und sich damit die Gefahrenlage sogar noch erhöhen würde, scheint nicht in die Überlegungen einzugehen. Ein solcher Vorschlag ist meiner Meinung nach weit ab jeglicher Realität und gefährlich.

Eine Versetzung der Ampel würde 160000 Euro kosten, so kann man lesen, und das ist den Verantwortlichen zu teuer. Ist nicht jedes einzelne Menschenleben viel mehr wert, als das?

Einen Zebrastreifen an dieser Stelle lehnten die TBR ebenfalls ab, denn laut Fachbereichsleiter Karsten Dittscheid sei der dort auf der viel befahrenen Bundesstraße nicht zulässig.

Ich frage mich allerdings, aufgrund welcher konkreten Faktenlage er zu diesem Schluss kommt, denn Zebrastreifen an Bundesstraßen existieren zuhauf, eine Bundesstraße ist kein Ausschlusskriterium für eine Einrichtung.

Es existieren die Richtlinien zur Anlage von Stadtstraßen (RASt) und die Richtlinien für die Anlage und Ausstattung von Fußgängerüberwegen (R-FGÜ). Die unterscheiden sich tatsächlich inhaltlich voneinander und widersprechen sich in manchen Punkten sogar. Das ist erfreulich für die TBR, denn  man kann sich zur Begründung der Ablehnung eines Zebrastreifens einfach immer auf die Variante beziehen, die diesen verunmöglicht. Beide sagen allerdings bei den von den TBR angegebenen Fahrzeugzahlen und einer Geschwindigkeit von 50km/h aus, dass ein Zebrastreifen möglich ist. Dafür sprechen zudem das Seniorenheim und die Bushaltestelle dort.

Das Problem sind allerdings die notwendigen mindestens 50 Querungen durch Personen pro Stunde in Spitzenzeiten. Allerdings müsste erst einmal beweissicher ermittelt werden, ob es die vielleicht nicht doch gibt – oder ob andere Kriterien schwerer wiegen und die Einrichtung eines Zebrastreifens eben doch ermöglichen.

Denn es existieren zahllose Sonderregelungen für die Problematik „Zebrastreifen“, die alle in eine Bewertung eingehen müssten, eine äußerst ausführliche Betrachtung der Problematik findet man in diesem Artikel auf der Seite stvo2go und ich erkenne deutlichen Gestaltungsspielraum bei der Einrichtung eines Zebrastreifens an dieser Stelle in Vieringhausen.

Zudem befindet sich die (durch Andi Scheuer und Volker Wissing leider inhaltlich stark entkernte) Novelle der StVO in der Endphase der Schlichtung im Bundesrat. Sollte diese endlich rechtskräftig werden, stehen der Stadt Remscheid erheblich weiter gehende Möglichkeiten zur Verfügung, dann eben sehr wahrscheinlich auch die Einführung von Tempo 30 auf dieser Strecke, was die Gefahrenlage ebenfalls entschärfen sollte, zumindest wenn die Einhaltung des Tempolimits auch durch geeignete Mittel kontrolliert werden würde.

Festzuhalten ist für mich am Ende, dass weiterhin die dringende Notwendigkeit einer längst überfälligen Depriorisierung des Autoverkehrs zugunsten anderer am Verkehr teilnehmenden in Remscheid nicht gesehen und auch nicht gelebt wird, zulasten schwächerer Verkehrsteilnehmer°Innen. Stattdessen zieht man sich auf Vorschriften zurück, die aber in vielen Fällen mit ein wenig Wollen und gutem Willen – Stichwort Ermessenspielraum – auch anders ausgelegt werden könnten.

Nach der Novelle des StVG werden die Ausreden deutlich weniger werden. Ganz klar ist aber natürlich ebenfalls, dass zur Verringerung des Autoverkehrs Alternativen vorhanden und bequem nutzbar sein müssen. Aber auch hier ist die Situation in Remscheid traurig: Der Busfahrplan wird sogar noch ausgedünnt und die Lage auf der Schiene ist und bleibt katastrophal (der von Sven Wolf mit viel Medientamtam, durchgesetzte Extrahalt des RB47 in Güldenwerth erscheint angesichts der Tatsache, dass der seit einem Jahr nicht fährt, und das auch noch bis mindestens Ende 2024 so bleiben soll, wie eine Farce). Von Seiten der Politik kommen auch in dieser Hinsicht leider nur pressewirksame Lippenbekenntnisse. Und über den Radverkehr in Remscheid decken wir lieber das Mäntelchen des Schweigens, seit Jahren einer der letzten Plätze in der Radzufriedenheitsbefragung des ADFC spricht eine deutliche Sprache, Verbesserungen sind über Alibimaßnahmen und Minimalismen hinaus nicht festzustellen.

Sicherheit Zufußgehender und Radfahrender sollte in meinen Augen immer Priorität vor dem Verkehrsfluss haben. Bald wird die StVO das auch zulassen, dann haben Stadt und TBR viel weniger Ausreden. Wie ich die Situation in Remscheid kenne, werden sie neue finden.

Update [21.06.2024]:

Aus dem neuen StVG (sinngemäß):

Ein Zebrastreifen soll ausnahmsweise angelegt werden dürfen, auch wenn keine „besondere Gefahrenlage“ gegeben ist, der Zebrastreifen muss aber weiterhin „zwingend erforderlich“ sein.

Damit sollte dem Zebrastreifen an der Verkehrsinsel nichts mehr im Weg stehen, denn zwei Todesfälle sollten eine „zwingende Erforderlichkeit“ problemlos begründen können.

Die wichtigsten Änderungen des StVG im Überblick:

  • Neben der Sicherheit und Ordnung des Verkehrs können straßenverkehrliche Anordnungen zukünftig auch aus Gründen des Klima- und Umweltschutzes, der Gesundheit sowie der städtebaulichen Entwicklung getroffen werden.
  • Wird von den neuen Regelungszwecken Gebrauch gemacht, darf es nicht zu Beeinträchtigungen der Straßenverkehrssicherheit kommen und auch die Leichtigkeit des Verkehrs muss stets berücksichtigt werden.
  • Außerdem werden zwei konkrete Ermächtigungen ergänzt: Sie erlauben die Parkraumbewirtschaftung auch bei absehbarem und nicht nur vorhandenem Parkraummangel sowie Sonderfahrspuren für neue Mobilitätsformen.

Bild Schild Fußgängerüberweg aus der Wikipedia, von RandomDuck5000, Creative Commons Attribution-Share Alike 4.0 International

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