In einer Pressemitteilung hat sich die Remscheider CDU gegen Cannabis ausgesprochen. Das ist ihr gutes Recht und entgegen alle Empfehlungen von Kriminologen und Wissenschaftlern der letzten Jahre, die immer wieder inhaltlich eindeutig dargelegt haben, dass eine Legalisierung aus den verschiedensten Erwägungen mehr Vor- als Nachteile hat, darf man als Konservativer selbstverständlich auch abseits von Fakten dennoch gegen eine Legalisierung sein.
Für äußerst fragwürdig halte ich allerdings, wie die CDU in ihrer Pressemitteilung unwahre Behauptungen aufstellt. Zitat:
Die Mehrheit der Deutschen ist gegen diese Legalisierung.
Das ist faktisch falsch, laut einer repräsentativen Umfrage der Plattform Statista (eine von vielen) befürworten ca. 66% der Deutschen die Freigabe. Zitat aus den Ergebnissen der Umfrage:
Während 80 Prozent der 18- bis 29-Jährigen sich dafür aussprechen, sinkt der Anteil der Befürworter:innen mit zunehmendem Lebensalter; bei den 30- bis 49-Jährigen hält noch eine große Mehrheit von 68 Prozent das angestrebte Gesetz für eine gute Idee, bei den 50- bis 69-Jährigen sind es immerhin noch 65 Prozent. Bedenkenträger:innen finden sich vor allem bei den Senior:innen: Ab 70 Jahren aufwärts ist eine knappe Mehrheit von 51 Prozent sogar gegen eine Legalisierung.
Es ist schon bemerkenswert, mit welcher Chuzpe Dietmar Volk von der CDU das genau Gegenteil behauptet und seine Behauptung nicht mit Fakten unterlegt. Das ist in meinen Augen purer Populismus für Konservative und Rechte.
Weiter heißt es:
Das Gesetz wird zu einer deutlichen Mehrbelastung für unsere Stadt führen. Denn unter anderem der Kommunale Ordnungsdienst muss die Einhaltung der Regeln kontrollieren.
Das ist meiner Meinung nach Unsinn. Tatsächlich wird die Arbeitsbelastung für Ordnungsamt, Polizei und insbesondere Gerichte zurück gehen, denn der Besitz von kleinen Mengen Cannabis muss nun nicht mehr strafrechtlich verfolgt werden. Seit Jahren weisen Kriminologen darauf hin, dass die Teillegalisierung unser Rechtssystem entlasten wird. Wie sich Konservative konstruieren können, dass das im Gegenteil den Aufwand sogar erhöhen soll, kann ich ohne inhaltliche Fakten nicht nachvollziehen. Korrekt ist ausschließlich, dass in einer kurzen Übergangsphase eine Mehrbelastung der Gerichte auftritt, da bereits aufgelaufene Fälle in Teilen neu bewertet werden müssen. Danach wird es zu einer ganz erheblichen Entlastung des deutschen Rechtssystems auf allen beteiligten Ebenen kommen, bei Polizei und Ordnungsamt schon viel früher, da nicht jeder kleine Konsument verfolgt und „von Rechts wegen“ angezeigt werden muss.
Weiteres Zitat aus der Pressemitteilung:
Zahlreiche Studien belegen, dass der Konsum von Cannabis zu gravierenden gesundheitlichen Einschränkungen wie beispielsweise Depressionen führen kann, weil die Gehirne der unter 25-Jährigen noch nicht vollständig entwickelt sind.
Fakt ist, dass Cannabiskonsum gesundheitlich unproblematischer ist als beispielsweise Alkoholkonsum, das belegen ebenfalls „zahlreiche Studien“ (siehe z.B. Uni Köln). Zitat:
Alkohol und Cannabis sind demnach beides gefährliche Suchtmittel, die eine wohl überlegte Handhabung durch den Einzelnen und durch die Gesellschaft brauchen. Wenn man alle Faktoren abwägt, ist Alkohol jedoch gefährlicher.
Ich frage mich, ob sich die CDU mit derselben Vehemenz und denselben herbeiphantasierten Fakten gegen Alkoholkonsum aussprechen wird? Denn auch der hat gravierende Folgen für die Entwicklung von Körper und Gehirn von Jugendlichen (und Erwachsenen).
Auch die Remscheider CDU sollte sich den Fakten stellen und die belegen, dass der Konsum stattfindet, egal ob Cannabis legal ist oder nicht. Die Entkriminalisierung hat nach derzeitigem Wissenstand deutlich mehr Vor-als Nachteile.
Volk führt weiter aus:
Als Gesundheitspolitiker und auch als gläubiger Christ kann ich zu einer solchen Politik nicht Ja sagen.
Was der für mich mittelalterlich wirkende Glaube an irgendwelche Götter mit dem Thema zu tun hat erschließt sich mir nicht. Außer vielleicht, dass Religion und Wissenschaft eben nicht zusammen passen. Ersteres ist unbelegter Glaube und der Versuch Dogmen durchzusetzen, letzteres ist Handeln aufgrund konkreter und durch Peer-Reviews belegter Fakten.
Der Hauptpunkt für meine Kritik an der Pressemitteilung ist allerdings, dass der CDU-Mann fälschlich behauptet, eine Mehrheit der Deutschen sei gegen eine Freigabe – das ist nach Faktenlage schlicht und einfach die Unwahrheit. Und die wird einfach so verbreitet, um die eigene Meinung als relevanter darzustellen, als die anderer Personen. Klassisches Framing und „Fake-News“, aber das Verbreiten von Unwahrheiten hat in der CDU insbesondere in letzter Zeit Tradition, man muss nur auf die zahllosen als falsch entlarvten Äußerungen des CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz schauen.
Ich würde es zudem begrüßen, wenn sich Politiker°Innen bei Entscheidungen von gesellschaftlichem Rang von Fakten leiten lassen würden, statt von irgendwelchem nebulösen Glauben; denn der ist nun einmal reine Esoterik aber keine Basis für qualifizierte Abwägungen.
Die vollständige Pressemitteilung im Wortlaut:
Die von der Ampel-Regierung und Gesundheitsminister Lauterbach (SPD) gegen alle Bedenken aus Medizin, Justiz und Kommunalverwaltungen durchgezogene Cannabis-Legalisierung ist ein Irrweg. Die Mehrheit der Deutschen ist gegen diese Legalisierung. Ich begrüße es, dass der CDU-Fraktions- und Parteivorsitzende Friedrich Merz in aller Klarheit deutlich gemacht hat, dass die Union das Gesetz sofort zurücknehmen wird, wenn CDU und CSU in Regierungsverantwortung sind“, sagt Dietmar Volk, Sprecher der CDU-Fraktion im Ausschuss für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Wohnen und Pflege (ASGWP). „Das Gesetz wird zu einer deutlichen Mehrbelastung für unsere Stadt führen. Denn unter anderem der Kommunale Ordnungsdienst muss die Einhaltung der Regeln kontrollieren. Hierzu werden wir eine Anfrage für den zuständigen Fachausschuss stellen. Als Gesundheitspolitiker finde ich es verheerend, dass unsere Kinder und Jugendlichen durch die Cannabis-Freigabe nun zusätzlichen Gefahren für ihre Gesundheit ausgesetzt sind. Insofern kann ich die Freude, die der grüne Gesundheitspolitiker Frank vom Scheidt kürzlich zur Schau stellte, nicht nachvollziehen.
Im Sinne unserer Kinder und Jugendlichen sollte es bei uns heißen: ‚Remscheid gibt Cannabis keine Chance!‘ Zahlreiche Studien belegen, dass der Konsum von Cannabis zu gravierenden gesundheitlichen Einschränkungen wie beispielsweise Depressionen führen kann, weil die Gehirne der unter 25-Jährigen noch nicht vollständig entwickelt sind. Die scheinbare Freiheit, über die sich vom Scheidt und Co. so demonstrativ freuen, kann also zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen für das ganze Leben führen. Als Gesundheitspolitiker und auch als gläubiger Christ kann ich zu einer solchen Politik nicht Ja sagen. Ich wünsche mir, dass die entsprechenden Regelungen und Kontrollen in Remscheid restriktiv ausfallen – im Sinne des Gesundheitsschutzes und der jungen Menschen in dieser Stadt- Remscheid sollte aus den Fehlern und Erfahrungen der Stadt Amsterdam lernen und die Gesundheit und auch die Aufenthaltsqualität der Menschen in Remscheid an die erste Stelle setzen.
Bild „Cannabis“ aus der Wikipedia, von Jennifer Martin, Creative Commons Attribution-Share Alike 4.0 International license