Antwort der Verwaltung der Stadt Remscheid auf CDU-Frage, ob der “Bürgerdialog Radverkehr” eine Farce war

Beine und Räder von Radfahrenden

Ich hatte nach dem letzten “Bürgerdialog Radverkehr” meine Meinung kundgetan, dass es sich bei der Veranstaltung um eine “Farce” handelte und dazu stehe ich auch nach wie vor. Offenbar hatte die Fraktion der CDU im Stadtrat meine Anmerkungen zum Anlass genommen, am 31. August eine Anfrage an die Verwaltung zu stellen, wie ich jetzt erst erfuhr (sollte es nicht üblich und angemessen sein, dass man mich darüber informiert, wenn man meine Aussagen aufgreift?).

Nachfolgend die Anfrage und die Antwort der Verwaltung, für die sich diese reichlich Zeit ließ, nämlich bis in den Oktober hinein. Das Schreiben aus dem Ratsinformationssystenm der Stadt habe ich hier inhaltlich wiedergegeben, es ist als Zitat am kursiven Schriftschnitt zu erkennen. Meine Anmerkungen zu den Abschnitten stehen direkt dazwischen.

Mitteilung der Verwaltung

Zur Sitzung des Hauptausschusses und Ausschusses für nachhaltige Entwicklung, Digitalisierung und Finanzen am 31.08.2023 wurden von der CDU-Fraktion die fünf folgenden Fragen zum Bürgerdialog Radverkehr vom 21.08.2023 gestellt.

1. Trifft die Einschätzung zu, dass es sich bei dem Bürgerdialog Radverkehr nur um eine „Farce“ gehandelt habe?
2. Wie wurden die Vorschläge, Ideen und Verbesserungswünsche seitens der Verwaltung aufgenommen? Wurden Notizen angefertigt oder ein Protokoll, das auch von der Politik eingesehen werden könnte?
3. Ist die sinngemäße Aussage getätigt worden: „Geld haben wir aus Fördermitteln mehr als genug, nur kein Personal, deswegen verfallen die Gelder“?
4. Existieren die geschilderten Probleme im Bereich der Straßenmarkierung und der Schilder?
5. Wie beurteilt die Stadtspitze folgendes wörtliches Zitat von Stefan Holzhauer?
„Fazit der Veranstaltung: Stadtspitze und Politik wollen keine Radfahrer, denn in der Nachbarstadt beispielsweise gibt es ein ganzes Team, das für Radfahren und Ausbau der Radinfrastruktur verantwortlich ist. Aber da ist auch Schneidewind Oberbürgermeister, ex-Chef des Wuppertal-Instituts und der ist in Sachen Mobilitätswende und notwendige Änderungen, um gegen die Klimakatastrophe anzugehen zielorientiert und vorwärtsgewandt. Hier hingegen: Der Remscheider Oberbürgermeister Mast-Weisz, seit vielen Jahren im Amt, hat gesagt: ‚Remscheid wird nie eine Fahrradstadt‘. Exakt da sehen wir den Kern des Problems: fehlende Bereitschaft zu Veränderungen und erkenntnisfreie Autofreundlichkeit.“

Die nachfolgende Information wird zur Kenntnis genommen.

zu 1:
Der Bürgerdialog Radverkehr wurde als offenes Bürgerbeteiligungsformat und als Informationsveranstaltung zu aktuellen Entwicklungen der Radverkehrsplanung erstmalig im Zuge der Erarbeitung des ersten Radverkehrskonzeptes der Stadt Remscheid eingeführt. Seitdem wurde der Bürgerdialog insgesamt zweimal in Präsenz und zweimal als Online-Dialog per Zoom veranstaltet. An der letzten Veranstaltung am 21.08.2023 im Deutschen Werkzeugmuseum haben rund 27 radverkehrsinteressierte Personen teilgenommen. Zu Beginn der Veranstaltung stellte der Museumsdirektor in einer lebendigen und informativen Einführung die aktuelle Ausstellung im Deutschen Werkzeugmuseum zur Historie des Fahrrads vor.

Es ist ja wirklich prima, dass der Museumsdirektor das getan hat und es war auch ein wirklich informativer Vortrag, trägt allerdings leider nichts zu Verbesserung der Radfahrsituation in Remscheid bei. Man muss sich fragen, warum die Verwaltung auf diesen Nebenschauplatz so deutlich verweist? Streng genommen war der Vortrag auch gar kein Teil des “Bürgerdialogs Radverkehr” sondern eine freundlicherweise durchgeführte Zusatzveranstaltung des Museumsdirektors. Der Rest der Veranstaltung ist und bleibt in meinen Augen eine Farce, mit wie vielen verklausulierten Worten die Verwaltung auch versuchen mag, das zu beschönigen.

Im Anschluss wurden umgesetzte und geplante Radverkehrsmaßnahmen vom „Team Radverkehr“ der Verwaltung (bestehend aus Mitarbeitenden der Themengebiete Umwelt, Nachhaltigkeit, Lärmschutz und Verkehrsplanung) präsentiert und gemeinsam mit allen Teilnehmenden diskutiert. Die Veranstaltung zeichnete sich durch eine transparente Darstellung der Planungen und Planungsprozesse und eine sehr konstruktive Diskussion aus.
Wie bereits in vergangenen Bürgerdialogen wurden auch diesmal einige Projekte aus allen drei Maßnahmenfeldern (Infrastruktur, Service & Dienstleistung sowie Information & Kommunikation) vorgestellt, welche entweder bereits umgesetzt worden sind oder demnächst umgesetzt werden sollen. Einige Maßnahmen wurden als Bürgervorschläge aus vorherigen Veranstaltungen in die Radverkehrsplanung eingebracht.
Der Austausch zwischen Radfahrenden bzw. radverkehrsinteressierten Personen und der Verwaltung trägt deutlich zur Radverkehrsförderung in der Stadt Remscheid bei und soll nach dem Dafürhalten der Verwaltung auch weiterhin regelmäßig stattfinden.

In dem Text wurde die “konstruktive Diskussion” zu positiv dargestellt, denn allzu oft, oder besser meist, waren die Antworten auf konkrete Probleme oder Vorschläge “geht nicht, haben wir kein Personal für” oder eben wortwörtlich “ist politisch nicht gewollt”.

zu 2:
Wie in der Veranstaltung in der Begrüßung mitgeteilt, war das „Team Radverkehr“ vollständig anwesend. Die vielen Vorschläge, Ideen und Verbesserungswünsche wurden schriftlich festgehalten und werden nun von der Verwaltung mit den Maßnahmenvorschlägen des Radverkehrskonzeptes und weiteren internen Überlegungen verglichen und auf Umsetzbarkeit hin geprüft.

Die Antwort “Die vielen Vorschläge, Ideen und Verbesserungswünsche wurden schriftlich festgehalten” kann ich nur als Ausrede werten. Es wurde zwar ständig (in beinahe jedem einzelnen Punkt) von den Anwesenden auf die zahllosen Bürgervorschläge hin mit der Phrase “wir nehmen das mit” geantwortet, aber es wurden währenddessen keinerlei schriftliche Aufzeichnungen über diese Vorschläge angefertigt. Es wäre eine enorme Gedächtnisleistung nötig, sich das alles zu merken und nachträglich aufzuschreiben, von daher hatte zumindest ich den Eindruck, dass es sich dabei um einen Abwimmelspruch handelte. Interessant wäre auch, tatsächlich ein vom “Team Radverkehr” angefertigtes Protokoll der Veranstaltung und dessen konkreten Inhalt einmal zu sehen, wenn, wie die Verwaltung behauptet, die “vielen Vorschläge, Ideen und Verbesserungswünsche wurden schriftlich festgehalten wurden”. Oder ob es sich dabei nur um eine Schutzbehauptung handelt.

Ich denke darüber nach, im Rahmen des Informationsfreiheitsgesetzes NRW Einsicht in die “schriftlichen Aufzeichnungen” zu nehmen, um festzustellen, ob es diese tatsächlich überhaupt gibt und ob diese die zahllosen Anregungen der Bürger auf der Veranstaltung beinhalten.

zu 3:
Mit der zur Verfügung stehenden Personalkapazität kann die bisherige Anzahl der jährlich umgesetzten Maßnahmen bearbeitet werden.

Man vergebe mir die Deutlichkeit, aber diese Antwort ist nichts anderes als eine ausweichende, inhaltslose Frechheit. Die Anzahl der jährlich umgesetzten Maßnahmen ist zu gering. Ich habe 26 andere Anwesende als Zeugen dafür, dass klar ausgesagt wurde, dass man mit entsprechender Personalausstattung viel mehr Maßnahmen würde umsetzen können und dass es aus Fördertöpfen auch genug finanzielle Mittel gäbe, die aber aufgrund der zu geringen personellen Ausstattung verfallen müssen. Remscheid belegt nicht nur regelmäßig einen der schlechtesten Plätze in der Zufriedenheitsstudie des ADFC (“ADFC-Fahrradklima-Test“), es verschlechtert sich dabei sogar von Mal zu Mal. Allein das ist der Beleg dafür, dass seitens Politik und Verwaltung nicht genug für den Radverkehr getan wird, denn sonst müsste eine Besserung statt einer stetigen Verschlechterung eintreten. Das ist ein objektiver Nachweis für meine Ansicht, dass sich die Verwaltung nicht ausreichend bewegt.

Wie lächerlich wenig tatsächlich in den vergangenen Jahren passiert ist, belegt sogar die eigene Seite zum Radverkehr auf der Webseite der Stadt Remscheid.

Die bisherige Anzahl an Maßnahmen mit drei Radbügeln hier, vier dort, zehn Meter Einbahnstraße, die entgegen der Fahrrichtung befahren werden darf oder ein paar Metern Farbe auf der Fahrbahn, die einen Radweg darstellen soll ist nicht einmal ansatzweise ausreichend. Für mehr scheint die Kreativität (oder politisch zugestandene Kompetenz) der Verantwortlichen nicht zu reichen. Wo sind die Fahrradboxen am Bahnhof (die hätten beim Schulneubau problemlos installiert werden können), wo sind die Ladestationen für eBike-Nutzer, wo sind die Leihfahrräder im Innenstadtbereich, wo ist die fahrradfreundliche Verkehrsführung am Willi-Brandt-Kreisel, wo sind die durchgehenden Radwege auf den Bundesstraßen, wo ist die Räumung der Radwege im Winter?

Damit beantwortet die Verwaltung die Frage der CDU aber im Prinzip eindeutig: Ja, es passiert nicht einmal ansatzweise genug, und ja, es gibt zu wenig Personal. Wäre es anders, gäbe es viel mehr und auch umfangreichere Maßnahmen, als es seit Jahren geschieht. Wenn die Verwaltung der Stadt Remscheid diese paar lächerlichen Maßnahmen für ausreichend hält, dann ist das ein weiteres deutliches Indiz dafür, dass die Aussage “Radfahren ist politisch nicht gewollt” ganz offensichtlich den Tatsachen entspricht.

Man muss auch feststellen, dass die eigentliche Frage gar nicht beantwortet wird, sondern man ihr ausweicht!

Zu 4:
Es trifft zu, dass ein Mitarbeiter bei den Technischen Betrieben Remscheid (TBR) für die Fahrbahnmarkierungen auf Straßen- und Wegeflächen zuständig ist. Der Mitarbeiter betreut zusätzlich auch die Planung der Programme der Lichtzeichenanlagen. Die TBR hatten nie eine eigene Markierungs-Kolonne. Markierungsarbeiten werden von Fremdfirmen im Rahmen von Jahresausschreibungen durchgeführt. Die überwiegend kleineren Markierungsarbeiten werden dabei so geplant und zusammengestellt, dass für den Unternehmer sinnvolle Tagesleistungen entstehen. Wenn die Markierungsfirma allerdings einen vereinbarten Termin witterungs- oder krankheitsbedingt ausfallen lassen muss, stehen mögliche Ersatztermine natürlich in Konkurrenz zu Aufträgen anderen Kunden, die unter Umständen attraktiver sind. Es handelt sich hierbei um nicht unüblichen Schwierigkeiten, die aber in den vergangenen Jahren zu keinem Rückstau an Markierungs-Maßnahmen geführt haben.
Zusätzlich wurden im Rahmen der Fahrbahndeckensanierungen in den vergangenen Jahren umfangreiche Fahrradstreifen in Remscheid markiert. Hier wurden die Arbeiten im Rahmen der Arbeiten zur Fahrbahndeckensanierung mit ausgeschrieben und vergeben.

Farbmarkierungen auf Fahrbahnen sind keine Radwege, sondern ausschließlich Alibimaßnahmen. Sie stellen keine sichere Infrastruktur für Radfahrende dar, das belegen alle Studien zu diesem Thema sowie die langjährigen Erfahrungen aus den Niederlanden, sie sind allenfalls eine billige Alibihandlungen, um keine weiter gehenden Maßnahmen durchführen zu müssen, die dem Goldenen Kalb Autoverkehr Teile seiner unangemessenen Privilegien nehmen würden. Ebenfalls sind Radfahrer keine Teilzeit-Fußgänger, die gezwungen werden können, plötzlich an Fußgängerampeln warten zu müssen. Dafür gibt es ganz aktuelle Gerichtsurteile, die eindeutig dem Radfahrenden sein Radfahrendentum zuerkennen und dass ihm ein Ausweichen auf Fußwege und Fußgängerampeln nicht zuzumuten ist (wie z.B. am Willy-Brandt-Platz-Kreisel).

Der “Mitarbeiter der bei den Technischen Betrieben Remscheid (TBR) für die Fahrbahnmarkierungen auf Straßen- und Wegeflächen zuständig ist” gab übrigens mehrfach während der Veranstaltung an, er habe im Prinzip mehr zu tun, als er bewältigen könne. Und natürlich gibt es keinen “Rückstau bei Markierungsmaßnahmen”, wenn man ohnehin seitens der Verwaltung bereits dermaßen wenige Radverkehrs-Projekte überhaupt umsetzt.

Zu 5:
Persönliche Aussagen von Einzelpersonen werden von der Verwaltung nicht kommentiert. Abschließend bleibt aus Sicht der Verwaltung festzuhalten, dass anders als dargestellt, in den letzten Jahren – insbesondere nach dem Beschluss des Rates zum Radverkehrskonzept – zahlreiche Radverkehrsmaßnahmen umgesetzt worden sind.

In Vertretung
Heinze
Beigeordneter
Mast-Weisz
Oberbürgermeister

“Zahlreiche” sagt exakt überhaupt nichts aus. Wirft man einen Blick auf die offizielle Seite der Stadt Remscheid zum Thema Radverkehr, dann sieht man dort auf beeindruckende Weise, wie wenig tatsächlich umgesetzt wurde und wie alibihaft diese Projekte wirken. Es sind keine großen Würfe dabei, insbesondere keine Radfahrspuren auf Bundesstraßen, die möchte man offenbar dem Autoverkehr vorbehalten. Man kümmert sich noch nicht einmal um die vorhandenen eindeutig rechtswidrig angelegten Radwege, um diese rechtskonform zu gestalten. Und immer wieder vergisst man bei Neubauten oder Änderungen von Straßen den Radverkehr komplett.

Und natürlich möchte man bei der Stadt Remscheid meine Aussagen nicht kommentieren, da man weiß, dass ich damit inhaltlich völlig recht habe – und die Aussage des Oberbürgermeisters Mast-Weisz zum Radverkehr ist ohnehin belegt.

Müssen wir Radfahrenden denn wirklich erst nach Wuppertaler Vorbild einmal im Monat zur Hauptverkehrszeit eine Fahrraddemo quer durch die Innenstadt organisieren, um unseren Wünschen Nachdruck zu verleihen?

Mitteilungsvorlage als PDF

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