Verkehrswende & Verkehrskonzept Innenstadt Remscheid: Schrödingers Gutachten

Innenstadt Remscheid OpenStreetMap

Den lokalen Medien war vor einiger Zeit zu entnehmen, dass ein “Verkehrsgutachten Innenstadt” existieren soll und dass es zurück gehalten wird, weil man es – und ich zitiere – Politik und Bürgern in seiner Tragweite nicht zumuten möchte.

Auf dem Bürgerdialog Radverkehr fragte ich, ob diese Informationen zutreffend sind und erhielt von den Verantwortlichen bei der Stadt Remscheid die Antwort, das Gutachten sei noch nicht fertiggestellt und “man sollte nicht alles glauben, was man in den lokalen Medien so liest.”

Ich hatte allerdings bereits vorher, am 16.09.2023, eine Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz NRW an die Stadt Remscheid gestellt. Der Inhalt dieser Anfrage lautete wie folgt:

Auskunftsersuchen nach dem Informationsfreiheitsgesetz NRW (IFG NRW)

Sehr geehrte Herr Damen und Herren,

Das Gesetz über die Freiheit des Zugangs zu Informationen für das Land Nordrhein-Westfalen (IFG
NRW) ermöglicht Bürgern einen Zugang zu allen Informationen, die bei einer Stadtverwaltung oder
einer anderen Behörde vorhanden sind.

Ich beantrage hiermit den Zugang zum aktuellen

Verkehrsgutachten »Innenstadt«

das Pressemeldungen zufolge bereits bei den Verantwortlichen der Stadt Remscheid eingetroffen ist, aber bislang nicht veröffentlicht wurde; nach Aussagen der einschlägigen lokalen Presse, »weil die vorgeschlagenen Verkehrsmaßnahmen der Verwaltungsspitze zu weitreichend erscheinen, um sie der Politik – und den Bürgerinnen und Bürgern – zumuten zu können.«

Das ist als Begründung nicht akzeptabel und es besteht ein erhebliches öffentliches Interesse, dieses Gutachten einsehen zu können.

Ich weise darauf hin, dass ich rechtliche Unterstützung in Anspruch nehmen sollte, falls die Verantwortlichen bei der Stadt Remscheid eine Herausgabe gemäß IFG NRW verweigern, oder diese durch unangemessen hohe Kostenforderungen verhindern wollen.

Das IFG NRW sieht vor, dass die Informationen unverzüglich, spätestens aber innerhalb eines Monats zugänglich gemacht werden müssen.

Mit freundlichem Gruß,
Stefan Holzhauer

Mit einem Schreiben vom 04. September 2023 (Eingang bei mir am 07.09.2023) erhielt ich eine ablehnende Antwort seitens der Stadt Remscheid. Interessant ist aber nicht die Ablehnung, mit der hatte ich aufgrund meiner Erfahrungen mit der Stadt Remscheid in der Vergangenheit ohnehin bereits gerechnet, sondern die Begründung.

Ihr Antrag auf Akteneinsicht vom 16.08.2023
Auskunftsersuchen nach dem IFG NRW

Sehr geehrter Herr Holzhauer,

Ihren Antrag auf Zugang zum aktuellen „Verkehrsgutachtens Innenstadt“ auf Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes NRW (IFG NRW) vom 16.08.2023 lehne ich nach 8 7 Abs. 1 IFG NRW ab.

Zur Begründung:
Über das aktuelle „Verkehrsgutachtens Innenstadt“ wurde noch nicht in den politischen Gremien zur Vorbereitung eines Beschlusses beraten. Nach Abschluss des politischen Beratungsprozesses werde ich Ihnen das Gutachten unaufgefordert zur Verfügung stellen ($ 7 Abs. 3 IFG NRW).

Diese Entscheidung nach dem IFG NRW wurde mit dem Datenschutzbeauftragten der Stadtverwaltung abgestimmt.
Diese Ablehnung ergeht nach $ 11 Abs. 1 Satz 2 IFG NRW kostenfrei.

Sie haben nach 8 5 Abs. 2 Satz 4 i.V.m. $ 13 Abs. 2 IFG NRW das Recht auf Anrufung der Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit Nordrhein-Westfalen, Postfach 20 04 44, 40102 Düsseldorf, Telefonzentrale: +49 (0)211 / 38424— 0 für das Recht auf Information.

Die Informationen zur Verarbeitung Ihrer personenbezogenen Daten in diesem Fall finden Sie als Anlage zu diesem Schreiben.

Rechtsbehelfsbelehrung
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Widerspruch erhoben werden. Der Widerspruch ist schriftlich, in elektronischer Form nach $& 3a VwVfG NRW oder zur Niederschrift bei dem Oberbürgermeister der Stadt Remscheid, Rathaus, Theodor-Heuss-Platz 1, 42853 Remscheid, einzulegen.
Der Widerspruch kann auch durch De-Mail in der Sendevariante mit bestätigter sicherer
Anmeldung nach dem De-Mail-Gesetz erhoben werden. Die De-Mail Adresse lautet: Remscheid@Remscheid.de-mail.de

Wir halten fest: Das Gutachten existiert entgegen den Angaben beim Bürgerdialog Radverkehr tatsächlich und es wurde den politischen Gremien in der Tat, wie berichtet, bisher vorenthalten. Und dieses Vorenthalten wird auch noch als Begründung für eine Ablehnung der Offenlegung nach IFG NRW verwendet. Das ist schon ein bemerkenswertes Spielchen, das die Verantwortlichen hier spielen. Und man muss sich auch fragen, ob die eindeutige Aussage beim Bürgerdialog Radverkehr, das Gutachten sei noch nicht fertig gestellt und die Medienmeldung sei eine Ente, aus Unwissenheit geschah, oder aus anderer Motivation?

Ich habe daraufhin am 08.09.2023 einen Widerspruch gegen die Ablehnung eingereicht, der hat folgenden Inhalt:

Widerspruch Ablehnung Auskunftsersuchen gemäß IFG NRW, Zeichen 4.1

Sehr geehrte Damen und Herren,

mit Schreiben vom 04.09.2023 (Eingang bei mir am 07.09.2034) hat Frau [redacted] meinen Antrag nach IFG NRW auf Einsicht in das »Verkehrsgutachten Innenstadt« abgelehnt.

Ihre Aussage lautet, »dass das Gutachten den politischen Gremien zur Vorbereitung eines Beschlusses noch nicht vorgelegen worden sei« und Sie begründet eine Ablehnung mit § 7 Absatz 1 IFG NRW.

Gegen diese Entscheidung lege ich Widerspruch ein.

1. Bei einem Gutachten handelt es sich um eine objektive Betrachtung eines Sachverhalts durch Gutachter. Diese objektive Betrachtung hat auch Gültigkeit, und Relevanz und eine Offenlegung liegt in öffentlichem Interesse, wenn sie den politischen Gremien noch nicht vorgelegt wurde. Tatsächlich ergibt sich ein öffentliches Interesse insbesondere dadurch, dass der lokalen Presse zu entnehmen war, das Gutachten solle den politischen Gremien und der Öffentlichkeit aufgrund seiner Tragweite durch politisch und verwalterisch Verantwortliche bei der Stadt Remscheid vorenthalten werden.
2. Als Gutachten handelt es sich beim »Verkehrsgutachten Innenstadt« eben nicht um einen in §7 Abs. 1 IFG NRW genannten »Entwurf zu Entscheidungen, für Arbeiten und Beschlüsse«. Ein Gutachten ist kein »Entwurf« für eine Entscheidung oder einen Beschluss, sondern stellt eine fachliche, objektive Grundlage für solche Beschlüsse dar, oder sollte es zumindest.
3. Eine Ablehnung gemäß §7 Abs.1 IFG NRW darf nur dann erfolgen, »wenn die vorzeitige Bekanntgabe die Erfolge der Entscheidung, bzw. der Maßnahme vereiteln würde«. Das ist nicht der Fall. Im Gegenteil. Zudem wurde seitens der Stadt Remscheid nicht dargelegt, welche Maßnahme genau durch eine  Veröffentlichung »vereitelt« werden würde.
4. insbesondere aufgrund der Informationen, dass das Gutachten zurückgehalten werden solle, da »es in seiner Tragweite Politik und Bürgern nicht zuzumuten sei«, besteht ein erhebliches öffentliches Interesse an der Offenlegung dieses Gutachtens. Die Ablehnung nach §7 Abs. 1 IFG NRW halte ich für vorgeschoben, um eine Veröffentlichung weiter zu verschleppen.

Zeitgleich werde ich wegen der Ablehnung meines Antrags auf Einsicht in das »Verkehrsgutachten Innenstadt« eine Beschwerde beim Büro der Landesdatenschutzbeauftragten NRW einreichen.

Ich weise darauf hin, dass ich bei einer zukünftigen Offenlegung des Gutachtens auch bei einer eventuellen überhöhten Gebührenforderung Rechtsmittel einlegen werde.

Mit freundlichem Gruß,
Stefan Holzhauer

Ich warte jetzt gespannt auf die nächste Ablehnung und werde dann das Büro der Landesdatenschutzbeauftragten NRW einschalten. Dummerweise sind die Dantenschutzbeauftragten der Länder und des Bundes eher zahnlos, wenn es um abgelehnte IFG-Anfragen geht, wie man einem Artikel von fragdenstaat auf Legal Tribune Online entnehmen kann. Ich werde mich im Fall einer Ablehnung aber zusätzlich auch noch an die Bürgerrechtsaktivisten von fragdenstaat wenden.

Bemerkenswert ist auch, dass ich mich per Email an fast alle (die Emailadresse von W.I.R. hat gebounced) im Rat vertretenen Parteien gewendet habe und die Anfrage samt Ablehnung übermittelte. Reaktion von allen: Null.

 

Karte aus OpenStreetMap, Open Database Licence

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